Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
ich freue mich, heute hier zu sein und dieses Grußwort zu halten, im Namen der wiedergegründeten sozialistischen jüdischen Jugendbewegung Hashomer Hatzair in Deutschland.
Unser Verband war bereits in den 1930er Jahren in Deutschland aktiv, wie auch an anderen Orten in Europa, und wurde während der NS-Zeit gewaltsam aufgelöst. Unsere Mitglieder in Deutschland und anderswo unterstützten sich gegenseitig und die Flucht vieler junger Menschen und schlossen sich ebenfalls dem Widerstand an.
Aber dieses Mal möchte ich nicht über Geschichte sprechen, sondern über FREUNDSCHAFT.
Hashomer Hatzair in Deutschland ist im Jahr 2012 dank einer langjährigen Freundschaft zwischen Hashomer Hatzair Israel und den Falken nach Berlin zurückgekehrt. Unsere Aktivitätszentrum heißt „Ken Berlin“.
Als ein von Migrant*innen geführter Verband war es in den ersten Jahren schwierig, neue Traditionen für diese Generation zu schaffen.
In den letzten vier Jahren gibt es jedoch eine neue Welle von motivierten Menschen, die versuchen, strategisch zu denken, wie man diese Arbeit am Laufen halten, sie weiterentwickeln und zu einer dauerhaften Tatsache machen kann. Wir haben verstanden, dass diese Stimme in der deutschen Linken und Gesellschaft jetzt mehr denn je gebraucht wird: dass diese Art von Gemeinschaft nach dem Holocaust nie wirklich zurückkam.
Ich möchte dieses Grußwort der FREUNDSCHAFT widmen, denn ohne sie würde ich heute nicht hier stehen und in einem der schwierigsten politischen Momente, die unsere Generation erlebt, etwas Optimismus mit euch teilen. Und ich denke, unsere Freundschaft mit den Falken ist ein wirklich gutes Beispiel für die Kraft der Freundschaft und dafür, wie wir diesen Sturm überstehen werden.
Die Freundschaft, die uns und unsere Organisationen solidarisch vereint, beruht auch auf geteilten Werten einer Vision einer gerechten, solidarischen und demokratischen Gesellschaft, in der alle Menschen ein gutes und würdevolles Leben in Frieden und Selbstentfaltung führen können. In unseren Aktivitäten leben wir diese Vision vor und verstehen sie als Realisierung dieser Visionen im Kleinen, als Formierung einer Gemeinschaft.
Denn in diesem Prozess, in dem wir auf eine klassischere Art der Jugendbewegungsarbeit hinarbeiten und das tun, was die Jugendbewegung tun sollte, brauchten wir freundliche Gesichter, und die haben wir von den Falken, aber vor allem von der ZEV bekommen.
Die Wahrheit ist, dass unsere Arbeit jenseits aller Bürokratie und finanzieller Mittel auf Träumen und Ermächtigung basiert. Bei Hashomer Hatzair arbeiten wir (auch) daran, dass die Jugendlichen ihre eigene Welt haben und sich die Umgebung, in der sie sich wohlfühlen, selbst gestalten können. Sie müssen selbst entscheiden, was sie tun wollen und darüber sprechen, in welcher Art von Gesellschaft sie leben wollen.
Und besonders in den letzten vier Jahren haben wir viele Freund*innen um uns versammelt – Jüdinnen:Juden, aber vor allem Nicht-Juden, die mitgemacht und uns in Fragen unterstützt haben, mit denen eine Migrantenorganisation Schwierigkeiten hat.
Aber es geht nicht nur um die individuelle Freundschaft, sondern auch um die Genossenschaft: die Freundschaft zwischen Organisationen, die uns geholfen hat, unser Zeltlager wieder aufzubauen.
Im März 2022 hatten wir unser erstes Pessach-Camp (die sogenannte „Pessachmachane“) in Heiligensee, um zu sehen, ob wir die pfadfinderischen Aspekte des Verbandes aktiver einbringen können. Es war toll, aber auch… kalt.
Seit 2023 halten wir unser Sommercamp („Sommermachane“) in Heiligensee ab, wo wir auch einen frechen Fuchs entdeckt haben, von dem wir annehmen, dass er Jude ist, denn warum sonst sollte er den Bar-Mizwa-Gürtel eines unserer Jugendleiter stehlen.
Die Genoss*innen in der ZEV unterstützen uns dabei, die nötigen Kontakte zu knüpfen, aber nicht nur das: Sie geben uns Tipps, beantworten alle dummen und weniger dummen Fragen und sind meistens einfach sehr geduldig und freundlich mit uns. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich bei der ZEV und insbesondere bei Hinnerk für all die Unterstützung zu bedanken, die uns bisher bei dieser Arbeit zuteil geworden ist.
Und leider kann man die aktuelle Situation nicht ignorieren, deshalb möchte ich ein paar Worte dazu sagen.
Seit dem 7. Oktober befinden wir uns in einem großen Schmerz, der sich eher noch verschlimmert, als dass man daran arbeitet, ihn zu heilen. Der unvorhergesehene Angriff auf die Kibbuzim und die Friedensbewegung, vor allem aber auf unsere Genossinnen und Genossen, ist immer noch schwer zu begreifen und dauert leider immer noch an, mit über 120 entführten Menschen in Gaza und einem andauernden Krieg, in dem die Menschen in Israel und Palästina gefangen und verletzt sind. Als Teil der Friedensbewegung verfolgt Hashomer Hatzair diese Tragödie mit großer Sorge.
Ich denke, dass jedem hier klar ist, dass Kinder und Jugendliche es verdienen, in Frieden und Sicherheit zu leben, wo auch immer sie sich befinden. Ich möchte aber euch mitteilen, wie es uns hier in Deutschland getroffen hat.
Seit dem 7. Oktober kann unser Jugendverband keine Aktivitäten mehr ohne Sicherheitsmaßnahmen durchführen. Und diese Entwicklung folgt auf Demonstrationen und Posts, die von denen geteilt wurden, die wir für unsere Genoss*innen hielten.
Seit 2022 sind wir der erste und einzige jüdische Jugendverband im Landesjugendring Berlin, der 1949 gegründet wurde. Seit Oktober 2023 sind wir aber auch der erste und einzige Verband, der sich mit regelmäßigen Sicherheitsmaßnahmen in unseren Lagern befassen muss, von 37 anderen Verbänden.
Und genau hier kommt die Freundschaft wieder ins Spiel, denn sie ist die wichtigste Arbeit, die wir im Moment brauchen. Denn mehr denn je sind Freundschaft und Solidarität keine leeren Worte, wenn es um unseren Verband und um die Freundschaft und Solidarität geht, die Menschen zeigen können und müssen.
Wir haben uns noch nie so wenige gefühlt, und dieses Gefühl gefällt uns nicht.
Ich habe aber ein positives und optimistisches Ende für dieses Grußwort versprochen:
Wir haben kürzlich einen ersten Standort für unsere Aktivitäten in dieser Generation gefunden, in der Nähe von Berlin-Ostbahnhof. An diesem Ort wollen wir ein säkular-jüdisches Bildungs- und Kulturzentrum bauen, um einen sicheren Raum für diejenigen zu schaffen, die unsere Werte der Gleichheit und des Friedens teilen.
Für die Arbeit rund um diesen Ort bitten wir euch um Unterstützung, entweder durch Geld- oder Sachspenden oder durch eure individuelle Hilfe als Ehrenamtlichen in verschiedenen Bereichen. Sprich mit mir, wenn du daran interessiert bist und das tun kannst.
Der vielleicht positivste Aspekt ist wirklich unsere Mitglieder, die Shomrimot, Kinder und Jugendliche ab 8 Jahren. Ich kann euch heute versprechen, dass es besser sein wird, wenn sie erwachsen werden und unsere Bewegung anführen. Sie und der ZEV-Fuchs 🙂
Vielen Dank für die Einladung und ich wünsche uns einen schönen Alt-Falken-Nachmittag.
In Hashomer sagen oder wünschen wir „Chazak Veematz“ – das bedeutet: Sei stark und mutig. Wir verstehen es als einen Aufruf, stark und mutig gegen den Faschismus oder was auch immer auf uns zukommt, zu sein. Seid gute Freund*innen füreinander, we shall overcome.
Und natürlich auch: Freundschaft!
Zuletzt aktualisiert: 15/09/2024 von admin
Grußwort Altfalken-Treffen am 25.05.2024
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
ich freue mich, heute hier zu sein und dieses Grußwort zu halten, im Namen der wiedergegründeten sozialistischen jüdischen Jugendbewegung Hashomer Hatzair in Deutschland.
Unser Verband war bereits in den 1930er Jahren in Deutschland aktiv, wie auch an anderen Orten in Europa, und wurde während der NS-Zeit gewaltsam aufgelöst. Unsere Mitglieder in Deutschland und anderswo unterstützten sich gegenseitig und die Flucht vieler junger Menschen und schlossen sich ebenfalls dem Widerstand an.
Aber dieses Mal möchte ich nicht über Geschichte sprechen, sondern über FREUNDSCHAFT.
Hashomer Hatzair in Deutschland ist im Jahr 2012 dank einer langjährigen Freundschaft zwischen Hashomer Hatzair Israel und den Falken nach Berlin zurückgekehrt. Unsere Aktivitätszentrum heißt „Ken Berlin“.
Als ein von Migrant*innen geführter Verband war es in den ersten Jahren schwierig, neue Traditionen für diese Generation zu schaffen.
In den letzten vier Jahren gibt es jedoch eine neue Welle von motivierten Menschen, die versuchen, strategisch zu denken, wie man diese Arbeit am Laufen halten, sie weiterentwickeln und zu einer dauerhaften Tatsache machen kann. Wir haben verstanden, dass diese Stimme in der deutschen Linken und Gesellschaft jetzt mehr denn je gebraucht wird: dass diese Art von Gemeinschaft nach dem Holocaust nie wirklich zurückkam.
Ich möchte dieses Grußwort der FREUNDSCHAFT widmen, denn ohne sie würde ich heute nicht hier stehen und in einem der schwierigsten politischen Momente, die unsere Generation erlebt, etwas Optimismus mit euch teilen. Und ich denke, unsere Freundschaft mit den Falken ist ein wirklich gutes Beispiel für die Kraft der Freundschaft und dafür, wie wir diesen Sturm überstehen werden.
Die Freundschaft, die uns und unsere Organisationen solidarisch vereint, beruht auch auf geteilten Werten einer Vision einer gerechten, solidarischen und demokratischen Gesellschaft, in der alle Menschen ein gutes und würdevolles Leben in Frieden und Selbstentfaltung führen können. In unseren Aktivitäten leben wir diese Vision vor und verstehen sie als Realisierung dieser Visionen im Kleinen, als Formierung einer Gemeinschaft.
Denn in diesem Prozess, in dem wir auf eine klassischere Art der Jugendbewegungsarbeit hinarbeiten und das tun, was die Jugendbewegung tun sollte, brauchten wir freundliche Gesichter, und die haben wir von den Falken, aber vor allem von der ZEV bekommen.
Die Wahrheit ist, dass unsere Arbeit jenseits aller Bürokratie und finanzieller Mittel auf Träumen und Ermächtigung basiert. Bei Hashomer Hatzair arbeiten wir (auch) daran, dass die Jugendlichen ihre eigene Welt haben und sich die Umgebung, in der sie sich wohlfühlen, selbst gestalten können. Sie müssen selbst entscheiden, was sie tun wollen und darüber sprechen, in welcher Art von Gesellschaft sie leben wollen.
Und besonders in den letzten vier Jahren haben wir viele Freund*innen um uns versammelt – Jüdinnen:Juden, aber vor allem Nicht-Juden, die mitgemacht und uns in Fragen unterstützt haben, mit denen eine Migrantenorganisation Schwierigkeiten hat.
Aber es geht nicht nur um die individuelle Freundschaft, sondern auch um die Genossenschaft: die Freundschaft zwischen Organisationen, die uns geholfen hat, unser Zeltlager wieder aufzubauen.
Im März 2022 hatten wir unser erstes Pessach-Camp (die sogenannte „Pessachmachane“) in Heiligensee, um zu sehen, ob wir die pfadfinderischen Aspekte des Verbandes aktiver einbringen können. Es war toll, aber auch… kalt.
Seit 2023 halten wir unser Sommercamp („Sommermachane“) in Heiligensee ab, wo wir auch einen frechen Fuchs entdeckt haben, von dem wir annehmen, dass er Jude ist, denn warum sonst sollte er den Bar-Mizwa-Gürtel eines unserer Jugendleiter stehlen.
Die Genoss*innen in der ZEV unterstützen uns dabei, die nötigen Kontakte zu knüpfen, aber nicht nur das: Sie geben uns Tipps, beantworten alle dummen und weniger dummen Fragen und sind meistens einfach sehr geduldig und freundlich mit uns. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um mich bei der ZEV und insbesondere bei Hinnerk für all die Unterstützung zu bedanken, die uns bisher bei dieser Arbeit zuteil geworden ist.
Und leider kann man die aktuelle Situation nicht ignorieren, deshalb möchte ich ein paar Worte dazu sagen.
Seit dem 7. Oktober befinden wir uns in einem großen Schmerz, der sich eher noch verschlimmert, als dass man daran arbeitet, ihn zu heilen. Der unvorhergesehene Angriff auf die Kibbuzim und die Friedensbewegung, vor allem aber auf unsere Genossinnen und Genossen, ist immer noch schwer zu begreifen und dauert leider immer noch an, mit über 120 entführten Menschen in Gaza und einem andauernden Krieg, in dem die Menschen in Israel und Palästina gefangen und verletzt sind. Als Teil der Friedensbewegung verfolgt Hashomer Hatzair diese Tragödie mit großer Sorge.
Ich denke, dass jedem hier klar ist, dass Kinder und Jugendliche es verdienen, in Frieden und Sicherheit zu leben, wo auch immer sie sich befinden. Ich möchte aber euch mitteilen, wie es uns hier in Deutschland getroffen hat.
Seit dem 7. Oktober kann unser Jugendverband keine Aktivitäten mehr ohne Sicherheitsmaßnahmen durchführen. Und diese Entwicklung folgt auf Demonstrationen und Posts, die von denen geteilt wurden, die wir für unsere Genoss*innen hielten.
Seit 2022 sind wir der erste und einzige jüdische Jugendverband im Landesjugendring Berlin, der 1949 gegründet wurde. Seit Oktober 2023 sind wir aber auch der erste und einzige Verband, der sich mit regelmäßigen Sicherheitsmaßnahmen in unseren Lagern befassen muss, von 37 anderen Verbänden.
Und genau hier kommt die Freundschaft wieder ins Spiel, denn sie ist die wichtigste Arbeit, die wir im Moment brauchen. Denn mehr denn je sind Freundschaft und Solidarität keine leeren Worte, wenn es um unseren Verband und um die Freundschaft und Solidarität geht, die Menschen zeigen können und müssen.
Wir haben uns noch nie so wenige gefühlt, und dieses Gefühl gefällt uns nicht.
Ich habe aber ein positives und optimistisches Ende für dieses Grußwort versprochen:
Wir haben kürzlich einen ersten Standort für unsere Aktivitäten in dieser Generation gefunden, in der Nähe von Berlin-Ostbahnhof. An diesem Ort wollen wir ein säkular-jüdisches Bildungs- und Kulturzentrum bauen, um einen sicheren Raum für diejenigen zu schaffen, die unsere Werte der Gleichheit und des Friedens teilen.
Für die Arbeit rund um diesen Ort bitten wir euch um Unterstützung, entweder durch Geld- oder Sachspenden oder durch eure individuelle Hilfe als Ehrenamtlichen in verschiedenen Bereichen. Sprich mit mir, wenn du daran interessiert bist und das tun kannst.
Der vielleicht positivste Aspekt ist wirklich unsere Mitglieder, die Shomrimot, Kinder und Jugendliche ab 8 Jahren. Ich kann euch heute versprechen, dass es besser sein wird, wenn sie erwachsen werden und unsere Bewegung anführen. Sie und der ZEV-Fuchs 🙂
Vielen Dank für die Einladung und ich wünsche uns einen schönen Alt-Falken-Nachmittag.
In Hashomer sagen oder wünschen wir „Chazak Veematz“ – das bedeutet: Sei stark und mutig. Wir verstehen es als einen Aufruf, stark und mutig gegen den Faschismus oder was auch immer auf uns zukommt, zu sein. Seid gute Freund*innen füreinander, we shall overcome.
Und natürlich auch: Freundschaft!
Kategorie: news Tags: grusswort